10 Blick in den Nahen Osten – Hintergrund Freitag, 13. Dez. 2024 – Donnerstag, 16. Januar 2025 Im Namen Gottes von @ Jon Mundus (mundus@gipfel-zeitung.ch) Die «Achse des Widerstands», angeführt vom Regime in Iran, hat innerhalb kurzer Zeit schwere strategische Verluste erlitten. Politische und militärische Anführer der Hamas und der Hisbollah sind tot. Im Westjordanland hat Israel militan- te Zellen geschwächt. In Syrien herrscht Baschar al Assad’s Clan nicht mehr. Es ist noch nicht klar, in welche politische Zukunft das Land an Orontes und Euphrat segeln wird. Zunächst jedoch hat das Regime in Iran seine Landverbindung in den Libanon verloren. Die Hisbollah wird so schnell ihr Waf- fenarsenal nicht wieder aufstocken können. Netanjahu hatte wohl recht. Politische Kräfteverhältnisse im Nahen Osten haben sich seit dem Angriff der Hamas auf Israel schneller als erwartet verändert. Die neue EU-Aussenbeauftragte, Kaja Kallas, nutzte die Gunst der Stunde mit folgendem Statement: «Das Ende von Assad’s Diktatur ist eine positive und seit langem erwartete Entwick- lung. Es zeigt aber auch die Schwäche der Mächte, die Assad gestützt haben: Russland und Iran.» Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat das Schweizer Aus- sendepartement alle am Bürgerkrieg beteiligten Gruppen zur Achtung des humanitären Völkerrechts aufgefordert. Alle sollen sich für Frieden und Versöhnung einsetzen. Zivilisten müssten geschützt werden. Exil-Syrer feiern den Sturz Baschar al Assad’s. Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) hielten sich Ende letzten Jahres rund 28 000 syrische Staatsan- gehörige in der Schweiz auf. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) rechnet damit, dass es noch Monate dauern könnte, bis sich in Syrien neue Strukturen und deren Stabilität abzeichnen. Ob und wieviele Syrerinnen und Syrer in ihre Heimat zurück- kehren wollen, ist nicht klar. Das SEM erwartet, dass zunächst Flüchtlinge aus Syrien, die in der Türkei, dem Libanon oder in Jordanien leben, als erste zurückkehren werden. Chaos oder Neuordnung? Es könnte aber auch anders kommen. Abu Muhammad al Dscholani ist mit seinen von der Türkei unterstützten Krie- gern von der HTS (Hai’at Tahrir asch-Scham – Komitee zur Befreiung der Levante) am eindringlichsten beim Sturz Assad’s aufgetreten. Sie kontrollieren Regionen um Städte wie Idlib, Aleppo, Hams, Homs, Latakia und Tartus. Die Gruppe hat eine radikal-islamistische Herkunft. Man äusserte sich in den letzten Tagen eher integrativ und auf Versöhnung bedacht. Daneben gibt es die Freie Syrische Armee, die von den USA unterstützt wird. Es handelt sich um säkulare Sunniten, die westliche Teile der syrischen Wüste eingenommen haben, sowie Palmyra und den Norden der Hauptstadt Damaskus. Im Nord-Osten Syriens (Rodschawa) herrscht nach wie vor die SDF (Syrian Democratic Forces). Die kurdischen Einheiten gelten als kampferprobt, motiviert und haben sich effektiv gegen den ISIS-Terror ge- wehrt. Auch sie werden zu einem geringen Ausmass durch die USA unterstützt. Die SOR (Southern Operations Room) besteht hauptsächlich aus Sunniten und Druzen und weiteren religiösen Minderheiten. Sie beherrscht die Gebiete um Daraa und Quneitra und hat gute Verbindungen nach Israel. Falls sich all diese Gruppen nicht auf eine koordinierte Machtverteilung einigen werden, könnte ein neuer Bürgerkrieg entflammen, der sicher neue Flüchtlingswellen auslösen wird. Alternativ fürchten manche, dass in Syrien ein Taliban ähnliches Regime entsteht, das für massive Fluchtgründe sorgen könnte. Diplomatische Drähte Das Regime in Iran scheint allzu leichtfertig seinen Schützling Assad aufgegeben zu haben. Dahinter könnte tatsächlich die von Kaja Kallas angedeutete Schwäche Russlands und Irans stecken – oder eine perfide Strategie, angesichts eigener militä- rischer Einschränkungen und einer auffälligen Zurückhaltung Assad’s in den Angriffen gegen Israel. Zur hybriden Kriegsfüh- rung gegen den Westen gehören Propaganda gegen humanis- tische Werte, Brutalisierung der Gesellschaften durch Morde, Kriege und Etablierung von Gewalt im öffentlichen Alltag. Iran und Russland brauchen jedoch Themen, die sich für Verhand- lungen mit dem Westen, explizit mit dem neuen US-Präsiden- ten eignen. Ein Druckmittel gegen den Westen sind Menschen, entführte Menschen aus westlichen Staaten, Menschen, die man zur Flucht zwingt, um im Westen wirtschaftliche und gesell- schaftliche Notlagen zu provozieren, verzweifelte Menschen, die man mittels konstanter Propaganda für die eigene Ideolo- gie gewinnen will. Dafür werden Heerscharen an iranischen Diplomaten durch die Welt gesandt, die von Frieden schwad- ronieren, während im Iran selbst Hinrichtungen zunehmen, jeder Protest blutig unterdrückt wird und religiöse Gruppen, wie die Baha’i und viele Sunniten, politische Dissidenten, wie z.B. Narghes Mohammadi oder Hossein Schanbesadeh, bittere Stunden der Ausgrenzung, der Folter und des Hasses erfahren. Angst vor Atombomben Im Schatten der Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbol- lah und dem Sturz Baschar al-Assad’s in Syrien hat das Regime in Iran seine Uran-Anreicherungsrate verachtfacht. Je näher die konkrete Möglichkeit zum Bau einer Atombombe für die Revolutionsgarden rückt, desto grösser werden Verhandlungs- spielräume mit dem Westen. Atombomben sind ein Sicherheit verleihendes Faustpfand. Offiziell forscht das Regime einzig und allein an Nuklearenergie zu friedlichen Zwecken. Auch hat der Oberste Führer Ali Chamenei betont, der Einsatz von Atom- bomben sei aus göttlicher Sicht nicht erlaubt. Doch die Doktrin des Staates sieht vor, alles für das Überleben des Regimes zu tun. Auch gegen islamische Prinzipien zu verstossen, wäre in diesem Fall erlaubt. Dafür nimmt sich Chamenei heraus, seine Entscheidungen aus einer exklusiven Verbindung mit Gott zu treffen. Das Regime hat klare Ziele: die Vernichtung der westlichen Zivilisation. Was westliche Kommentatoren immer wieder zu verwirren scheint, sind die wechselnden Taktiken des islamistischen Apparates in Iran. Sobald sich die Weltöf- fentlichkeit verstärkt für Vorgänge in Iran interessiert, lässt man die sanfteren Zungen des Regimes hehre Moralvorstellungen verlauten, doch wenn kaum jemand hinhört, kommen die wah- ren Absichten zum Vorschein. Zu den sanfteren Zungen gehö- ren Regime-Vertreter die im Westen studiert haben und die sich nicht zu schade sind, bei der Verhüllung der wahren Absichten des Regimes zu helfen. Dschawad Sarif, ehemaliger Aussenmi- nister und Ali Laridschani, ehemaliger Parlamentspräsident, dienen Chamenei als politische Berater für Auslandsfragen und als Agenten hinter den Kulissen. Doch die offeneren Worte für das, was das Regime vorhat, findet man bei Predigern wie Ali reza Panahian. Er leitet Chameneis Ammar Denkfabrik: «Wir sollten schiitischen Islam nutzen, um Europa zu islamisieren; dafür müssen wir den Zionismus zerstören, um die Europäer