12 Blick in den Nahen Osten – Hintergrund Mittwoch, 18. Dez.. – Dienstag, 24. Dez. 2024 Nicht unsere Freunde von @ Jon Mundus (mundus@gipfel-zeitung.ch) «Russland und Iran sind nicht Eure Freunde!» rief Kaja Kallas am Montag den neuen Führern in Syrien zu. «Sie wer- den euch nicht helfen, wenn ihr in Schwierigkeiten geratet. Sie haben Assad’s Regime fallen gelassen. Ein Zeichen, dass sie an anderer Stelle gebunden und geschwächt sind.» Kaja Kallas, ehemalige estnische Premierministerin, fungiert seit dem 1. Dezember 2024 als EU-Aussenbeauftragte. Ihre aus- gesprochenen Warnungen vor der Politik russischer Expansion sind bekannt. Sie hat auch in Aussicht gestellt, die Revolu- tionsgarden endlich auf die EU-Terrorliste zu setzen. Das Regime in Iran musste seit dem Hubschrauberabsturz Präsident Raisis im Mai 2024 einige Federn lassen. Strategisch wichtige Verbündete, Milizen wie Hamas und Hisbollah, sind quasi kampfunfähig, die Houthis werden ernsthafter als zuvor vom US-Militär bekämpft, Syrien ist jetzt türkisches Einfluss- gebiet und steht in nächster Zeit nicht zur Verfügung als Trans- portroute für erneute Waffentransporte für die Hisbollah. Der Oberste Führer, Ali Chamenei, wird nächstes Jahr 86. Er leidet schon seit einigen Jahren an Krebs, Genaueres weiss man nicht. Seine Macht ist qua System ungebrochen. Die Frage ist: Was passiert nach seinem Tod? Der Iran wird frei sein Präsident Massud Peseschkian wurde der Welt bereits im Sommer als sanftmütiger Reformer vorgestellt. Auch setzt er sich dafür ein, dass das neue Hidschab-Gesetz abgemildert wird, anstatt am 20.12 in Kraft zu treten. Das Gesetz könnte eine neue Gewalt- und Strafenwelle gegen Frauen und ihre Unterstützer auslösen. Zumindest die gesellschaftliche Spal- tung aufs Neue anheizen, vielleicht der Bewegung «Frau, Leben, Freiheit» wieder Auftrieb verschaffen. Benjamin Netan- jahu wandte sich in seiner Ansprache letzte Woche an die Menschen in Iran und erwähnte explizit diese Bewegung. Das israelische Vorgehen gegen den Iran und seine Verbünde- ten hat laut Netanjahu eine «Kettenreaktion» ausgelöst, die den gesamten Nahen Osten verändern könnte. «Die historischen Ereignisse, die wir heute erleben, sind eine Kettenreaktion.» Der israelische Regierungschef nannte das Vorgehen gegen die isla- mistische Palästinenserorganisation Hamas, die «Dezimierung» der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon und die Tötung ihres Anführers Hassan Nasrallah sowie «die Schläge, die wir der Terrorachse des iranischen Regimes versetzt haben.» Der Iran habe Dutzende Milliarden Dollar ausgegeben, um die Regierung des nun gestürzten syrischen Machthabers Baschar al-Assad sowie die Hamas und die Hisbollah zu stützen. «Das Einzige, was Israel will, ist die Verteidigung unseres Staates, aber damit verteidigen wir die Zivilisation gegen die Barbarei», fügte er hinzu. Der israelische Regierungschef glaubt, dass die Menschen im Iran Frieden wollen. Sie litten jedoch «unter der Herrschaft eines Regimes, das Sie unterjocht und uns bedroht.» Dies werde sich eines Tages ändern, dann werde der Iran «frei sein». Modschtaba Chamenei und die CIA Gerüchten aus Machtkreisen in Iran zu Folge, versucht ein Team um Chamenei mit guten Verbindungen in die USA, das System durch einen Gesichtswechsel zu retten. Es heisst, Kreise des US-Auslandsgeheimdienstes hätten einen Hin- Ali Chamenei Massud Peseschkian Modschtaba Chamenei AlirezaPanahian terzimmer-Deal mit Chamenei eingefädelt. Um den Nahen Osten nicht in völligem Chaos versinken zu lassen, wurde im Hintergrund verhandelt, dass Iran Syrien kampflos aufgibt, dafür wird Chamenei bei Gelegenheit zurücktreten und seinem Sohn Modschtaba die Rolle des Obersten Führers übertragen. Das wäre durchaus ein kühner Plan. Man kann sich fragen, wessen Interessen bei einem solchen Vertrag erhalten werden. Man kann sich aber auch fragen, wem solche Spekulationen in die Karten spielen. Am Regime in Iran und den Folgen für die Menschen in Iran werden solche Rochaden wenig ändern. Auch ist die Intervention Peseschkians beim Hidschab-Gesetz lediglich Makulatur, denn die Machtgruppen im Hintergrund, wie die reichen religiösen Stiftungen, die Revolutionsgarden und andere werden ihr Wirken fortsetzen. Ideologen wie Ali- reza Panahian werden ihre Propaganda fortsetzen. Sie werden eine weitere Generation junger Iranerinnen und Iraner aufzu- hetzen versuchen und vor allem die vielen Muslime im Westen, die sich als Opfer und Unterlegene fühlen, ansprechen, um sie gegen humanistische Werte, wie Toleranz, Freundschaft und individuelle Verantwortung, in einer Gesellschaft in Stellung zu bringen. Hinrichtungen werden fortgeführt Im Iran werden im Schatten der Ereignisse in Syrien, unter dem Eindruck einer handfesten Energiekrise im Land, einer weiteren Abwertung des Rials im Verhältnis zum Dollar und dem Verlust wichtiger Partner in der Region zahlreiche poli- tische Gefangene hingerichtet. Bis zum 1. Dezember 2024 sollen 798 Menschen hingerichtet worden sein. Seither weitere 11. Die meisten Hingerichteten stammen aus ethnischen Gruppen, die in Grenzprovinzen wie Kurdistan oder Balutschistan leben. Nahid Naghschbandi, For- scherin für Human Rights Watch, sagte einst: «Die iranischen Behörden nutzen die Todesstrafe als Werkzeug der Angst. Sie zielen vor allem auf ethnische Minderheiten und politische Dissidenten, die sie willkürlich geführten Gerichtsverfahren aussetzen. Es geht darum, jegliche Opposition im Keim zu ersticken.» Des Weiteren sind eine Reihe Gefangener in Todes- zellen verlegt worden, um sie auf ihre Hinrichtung vorzube- reiten. Die Verzweiflung der Menschen muss unglaublich gross sein und ihre Hoffnung auf einen Erlöser sehr stark. In Teheran tauchen mehr und mehr wild plakatierte Poster auf, die ein Bild vom neuen US-Präsidenten Donald Trump enthalten, mit der Botschaft: «Die Menschen in Iran warten auf Dich!»